PROMOVIERENDENTAGE zur deutsch-deutschen Zeitgeschichte
Kristin Langos

Kurzbiographie
Jahrgang:
1981
E-Mail:
kristin.langos[at]ku-eichstaett.de
Promotionsort:
Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt
Studienabschlussfach:
Diplom Katholische Theologie, Staatsexamen Deutsch/Katholische Religionslehre
Promotionsbeginn:
2010
Finanzierung der Promotion:
Beschäftigt an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt
Vorstellung des Promotionsthemas
„Ich bin als Mensch ernst genommen worden …“. Die pastorale Situation der Katholischen Kirche in der DDR in den 80er Jahren und die Motive zur Aufnahme eines Theologiestudiums
Sich in einem sozialistischen Staat „nicht zum willfährigen Subjekt machen lassen“. Das war für Klaus-Michael Tschöpe aus Auerbach im Vogtland einer der Gründe, mit dem Studium der katholischen Theologie zu beginnen. Bewußt wollte er als Pfarrer sein Leben in den Dienst der Menschen und der Kirche in der DDR stellen. Ein schwieriges Unterfangen in einem Land, das das Recht auf freie Meinungsäußerung nur eingeschränkt gewährte. Denn die freie Entfaltung des eigenen beruflichen Lebensweges konnte gefährdet sein durch die aktive Mitgliederschaft in einer christlichen Kirche. Warum sahen dennoch einige junge Menschen ihre berufliche Zukunft innerhalb der Katholischen Kirche? Dies untersucht Kristin Langos in ihrer Dissertation „Geistlicher Nachwuchs in der Katholischen Kirche der DDR in den 80er Jahren“.
Zwischen 1983 und 1985 verzeichnete die Theologische Fakultät der Universität Erfurt einen markanten Anstieg der Zahl der Theologiestudenten. Sie war die einzige Ausbildungsstätte für Priesternachwuchs in der DDR. So stieg z. B. in der Diözese Dresden-Meißen die Zahl von sechs Kandidaten im Jahr 1983 auf 13 Studenten im Jahr 1984. Dieser ungeklärte Anstieg gab den Anlass zu einer Untersuchung der seelsorglichen Gesamtsituation der Katholischen Kirche in den 80er Jahren: Warum war es gerade in diesen „Schwellenjahren“ (Joseph Pilvousek) attraktiv, einen geistlichen Beruf zu ergreifen?
Anfang der 80er Jahre gab es große Umgestaltungen in der Katholischen Kirche in der DDR bezüglich ihrer Position in der Gesellschaft. Seit den 60er Jahren war das Verhältnis von Kirche und Staat geprägt durch eine große „loyale Distanz“ (Martin Höllen) und den Rückzug der Kirche aus dem öffentlichen Leben. Der modus vivendi der „Ära Bengsch“ brachte einerseits einen inneren Freiraum für die Katholische Kirche mit sich. Andererseits schottete sie sich von Politik und Gesellschaft ab. Der Ruf nach mehr Engagement der Katholiken im gesellschaftlichen und politischen Leben entstand erst durch die Rezeption der Konzilsbeschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils auf den pastoralen Synoden der DDR in Meißen 1969/70 und in Dresden 1973/75. Auch der Generationenwechsel der Bischöfe der DDR mit Joachim Meißner 1980 in Berlin und Joachim Wanke 1982 in Erfurt setzte neue Akzente. Letzterer sah die Kirche als Realität und Chance, ein dienendes Zeugnis in säkularisierter Umwelt zu geben. Er ging von einer Kirche aus, die für die Menschen da sein muss, und nennt das „Weltdienst“ der „Kirche in unserem Raum“.
Diese Einbettung des Evangeliums in die Realität schien sich bis in die Gemeindestrukturen der Kirche der DDR durchzusetzen. Einen sehr großen Zulauf hatte beispielsweise das Katholikentreffen 1987 in Dresden. Daraus ergaben sich direkte Auswirkungen für das Selbstbewusstsein der aktiven Laien, aus deren Kreis individuelle Berufungen für den Dienst des Priesters hervorgingen. Es entwickelte sich eine engagierte Laienelite, die in den Gemeinden ihre eigene Persönlichkeit frei entwickeln kann. Kirche erfuhr man zunehmend als Instanz der freien Meinungsäußerung, um der Beschränkung des eigenen Lebensweges durch staatliche Eingriffe zu entgehen.
Persönliche Diktaturerfahrungen der jungen Männer spiegeln sich in den Zeitzeugengesprächen. Sie zeigen auch die Konfliktfelder zwischen Kirche und Staat. Beispiele sind der außerschulische Religionsunterricht, die Jugendweihe, der Wehrdienst und die Zulassung zum Abitur. Die schwierigsten inneren Auseinandersetzungen gab es folglich in der Jugendphase. „Ich habe gerade immer auch die Katholische Kirche, die Kapläne als eine wertvolle Stütze empfunden und mir wurde deutlich, dass ich Unterstützung bekäme ...“, stellt ein Pfarrer für sich nachträglich fest. Die Chance auf ein eigenes Engagement in der Kirche erhöhte sich daher durch das Vorbild der Priester. Als motivierend und unterstützend in ihrer Berufsentscheidung empfinden sie die Studienanfänger des Priesterseminars Erfurt rückblickend. So ergänzen die Interviews die Ergebnisse der Archivarbeit und binden die persönlichen Motive der Bewerber in die Analyse der Positionen der Katholischen Kirche in der DDR-Gesellschaft ein.