PROMOVIERENDENTAGE zur deutsch-deutschen Zeitgeschichte
Daniel Hechler

Kurzbiographie
E-Mail:
daniel.hechler[at]hof.uni-halle.de
Promotionsort:
HoF Halle-Wittenberg
Studienabschlussfach:
Politikwissenschaft, Philosophie, Neuere und Neuste Geschichte
Promotionsbeginn:
2010
Finanzierung der Promotion:
Beschäftigt am Institut für Hochschulforschung (HoF) Halle-Wittenberg
Vorstellung des Promotionsthemas
Jenseits der Jubiläen. Der Umgang der ostdeutschen Hochschulen mit ihrer Zeitgeschichte
Zeitgeschichte polarisiert, sie fordert die Erinnerungen der Zeitgenossen heraus und provoziert Kämpfe um die Deutungshoheit der Vergangenheit. Diese Konflikte faszinieren und sichern der Zeitgeschichte öffentliche Aufmerksamkeit. Aber auch jenseits von Skandalthemen oder dem Wunsch, unreflektierte Erinnerungsbestände aufzubrechen, berühren solche erinnerungspolitischen Fragen die Gestaltung gegenwärtiger Lebensvollzüge – etwa im angemessenen Umgang mit baulichen oder künstlerischen Zeugnissen oder hinsichtlich der Notwendigkeit, Opfern überwundener Systeme mit Sensibilität gegenüberzutreten.
Für ostdeutsche Hochschulen stellen sich diese Herausforderungen angesichts der doppelten Diktaturerfahrung mit besonderer Dringlichkeit, sind sie doch auf zweifache Weise mit dem erinnerungspolitischen Feld verbunden: Einerseits waren sie stets Teil und zumeist auch Stütze bestehender Herrschaftsstrukturen, indem sie doch Karrierechancen ihrer Absolventen und die Maßstäbe gültiger wissenschaftlicher Erkenntnisse definieren. Anderseits sind die Hochschulen die zentralen Einrichtungen, an denen heute zeitgeschichtliche Forschung betrieben wird. Der Umgang der Institution mit ihrer Zeitgeschichte erhält so eine selbstreflexive Wendung.
Hochschulen sind zumeist traditionsreiche Organisationen und verfügen über ein starkes Geschichtsbewusstsein. Dennoch stößt die Erinnerungspolitik der Hochschulen beständig an Grenzen. Zwar bieten ihre drei Funktionen Lehre, Forschung und Stärkung der Sitzregion beständig Anknüpfungspunkte für zeitgeschichtliches Engagement, können dieses jedoch nur am Rande mitbetreuen. Einer einheitlichen Erinnerungspolitik wirkt zum einen die Organisationsstruktur der Hochschulen entgegen, die von einer starken Autonomie ihrer Mitglieder geprägt ist. Zum anderen verschiebt sich in einem wandelnden hochschulpolitischen Umfeld der wesentliche Bezugspunkt der Selbstdarstellung: Zunehmend prägen nicht mehr Verweise auf die Tradition, sondern auf die gegenwärtigen Herausforderungen das Bild der Hochschulen. Dieses Spannungsfeld zeitigt eine erstaunliche Bandbreite im Umgang der ostdeutschen Hochschulen mit ihrer Zeitgeschichte. Diese reicht von fast vollständiger Abwesenheit zeithistorischer Bezüge in den Selbstthematisierungen der Hochschulen über bloß reaktive Auseinandersetzungen mit zeitgeschichtlichen Fragen bis hin zu konzeptuell angeleiteten Aufarbeitungsbemühungen im Rahmen von Jubiläumsvorbereitungen.
Die Vielfalt des Umgangs der ostdeutschen Hochschulen mit ihrer Zeitgeschichte wird in der vorliegenden Untersuchung erstmals umfassend karthographiert. Dafür wurden die Internetauftritte, die Zeitschriften und Publikationen der Hochschulen ausgewertet sowie deren Gedenkkultur und der Umgang mit baulichen und künstlerischen Zeitzeugnisse erfasst. Angeleitet von organisationssoziologischen Überlegungen werden zugleich die Bedingungen gelungener oder scheiternder Erinnerungspolitik deutlich – und vielleicht Möglichkeiten, sich der Vergangenheit auf angemessene Weise im Heute zu nähern.