PROMOVIERENDENTAGE zur deutsch-deutschen Zeitgeschichte
Bettina Blum

Kurzbiographie
E-Mail:
blumb[at]uni-muenster.de
Promotionsort:
Münster
Studienabschlussfach:
Neuere und Neueste Geschichte
Promotionsbeginn:
2005
(abgeschlossen 2011)
Vorstellung des Promotionsthemas
Repräsentantinnen des Staates. Frauen in der Polizei
‚Frauen in der Polizei – gibt es das denn schon so lange?’ - Eine häufige Reaktion auf das Promotionsprojekt über Polizistinnen in West- und Ostdeutschland. Erinnerungen an Volkspolizistinnen der DDR sind noch präsent – aus ostdeutscher Perspektive meist in der Gestalt von freundlichen Verkehrsreglerinnen, aus westdeutscher Sicht eher in der von unbarmherzigen Polizistinnen an der Grenze. Kaum jemand erinnert sich jedoch an westdeutsche Beamtinnen vor der Öffnung der Schutzpolizei für Frauen in den 1980er Jahren. Und wie sah es vor 1945 aus?
Frauen können auf eine lange Tradition in der deutschen Polizei zurückblicken. Bis 1945 war ihr Tätigkeitsfeld begrenzt auf Aufgaben, die der „weiblichen Eigenart“ entsprachen. Dieses von der ersten Frauenbewegung propagierte Schlagwort war die Zauberformel, die Frauen im Kaiserreich Zugang zu öffentlichen und schließlich auch politischen Funktionen ermöglichte. Ihre Grundlage war die Vorstellung von zwei unterschiedlichen Geschlechtscharakteren. Der Mann galt als rational, geistig beweglich und initiativ – und damit als „Normalmaß“; die Frau wurde als emotional, mütterlich und häuslich und damit meist als defizitär betrachtet. Dagegen stellte die Frauenbewegung den Wert weiblich konnotierter Eigenschaften für die Gesellschaft in den Vordergrund. Mietskasernenelend, Massenverelendung, steigende (Jugend)Kriminalität und Prostitution seien allein mit männlicher Rationalität nicht zu lösen. Hier müsse eine verstehende und helfende ‚Mütterlichkeit’ auf allen Ebenen einbezogen werden.
Auf dieser Basis fanden Frauen ab 1903 Eingang in die Polizei. Die ursprünglich militärisch orientierte Polizei entwickelte im Kaiserreich die Vorstellung einer nicht nur repressiv, sondern auch präventiv arbeitenden „sozialen Polizei“ und in der Weimarer Republik ein neues Leitbild als „Freund und Helfer“. Die Idee einer mütterlichen „Freundin und Helferin“ für eine spezifische Zielgruppe passte gut in diese Vorstellungen. Polizistinnen waren zuständig für junge Prostituierte, „gefährdete“ Mädchen und zunehmend auch für den Jugendschutz und die Bekämpfung der Jugendkriminalität. Aufgaben und Struktur der „Frauenpolizei“ unterschieden sich zunächst in den einzelnen deutschen Ländern. Einen Professionalisierungsschub erlebte die weibliche Polizei erst im „Dritten Reich“: Heinrich Himmler unterstellte sie 1937 der Kriminalpolizei und baute sie reichsweit als „Weibliche Kriminalpolizei“ (WKP) aus. Die ursprünglich soziale Einrichtung war nun eingegliedert in das NS-Gewaltsystem. Ihre Aufgabe blieb die Jugendkriminalität, im Krieg wurde sie auch zuständig für die Jugend-KZ Moringen und Uckermark.
Nach Kriegsende entwickelten sich in West- und Ostdeutschland unterschiedliche Formen weiblicher Polizei. Die britische Besatzungsmacht übernahm die Idee einer weiblichen Polizeiabteilung, wollte deren Aufgaben aber erweitern: Neben der WKP richtete sie eine uniformierte weibliche Polizei für Streifendienste mit Blick auf Frauen und Kinder ein. Die deutsche Seite kämpfte für die Aufhebung der Reform. Es waren aber nicht die Männer, sondern die übernommenen alten Beamtinnen, die sich für eine Abschaffung der „unweiblichen“ Uniform einsetzten sowie für eine Rückkehr zum Weimarer Berufsethos und zur NS-Organisationsform. Durch gute Lobbyarbeit erreichten sie 1952 die Überführung aller Beamtinnen in die WKP. Doch die Weimarer Ideale passten nicht mehr in die neue Epoche, die Zeit der WKP lief ab: Ab den 1960er Jahren hinterfragten neue pädagogische Vorstellungen ihre Arbeit. Alle Versuche, die WKP zu einer gemischtgeschlechtlichen Jugendabteilung auszubauen, schlugen fehl – zu stark waren geschlechtsspezifische Abgrenzungen in deren Arbeit eingeschrieben. Statt dessen nahm die Kriminalpolizei Frauen ab Ende der 1960er Jahre schrittweise in die allgemeine Kripo auf und baute die WKP bis 1978 – ebenfalls schrittweise – ab. Erhielten die Beamtinnen auch mediale Unterstützung durch die britische Serienheldin Emma Peel, mussten sie in der Realität um die Anerkennung der männlichen Kollegen kämpfen.
In der sowjetischen Zone sah das Bild anders aus. Hier entließ die Besatzungsmacht 1945 fast alle Polizisten, hatte mit Personalmangel zu kämpfen und musste in allen Abteilungen Frauen einstellen. Die uniformierten Verkehrsreglerinnen wurden am prominentesten. Sie fühlten sich als „Königinnen“ der Kreuzung. Die Medien berichteten häufig über die jungen Frauen, die in den Nachkriegsjahren zum Symbol des neuen Staates wurden und Frieden und Gleichberechtigung demonstrierten. Trotz der propagandistischen Vermarktung schätzte die VP-Führung Frauen fachlich und politisch als unsicher ein. Mit der Militarisierung der VP und der Einschwörung auf Bürgerkriegsszenarien vermännlichte sich die Polizei und die uniformierten Frauen verschwanden in den 1950er Jahren aus der Öffentlichkeit. Erst ab Mitte der 1960er Jahre wurden wieder Polizistinnen ein-, aber nicht wirklich gleichgestellt. Wie in Westdeutschland blieben Polizistinnen ein „Sonderpersonal“.
Eigene Publikationen mit Bezug zum Thema:
Weibliche Polizei – soziale Polizei? Weibliche (Jugend)Polizei zwischen Demokratie und Diktatur 1927-1952, in: Schulte, Wolfgang (Hg.): Die Polizei im NS-Staat. Beiträge eines internationalen Symposiums an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster, Frankfurt 2009, S. 511-537.
Mütter, Helferinnen, Blitzmädchen. Frauenbilder und Frauenarbeitseinsatz 1939-1950; Didaktische Bausteine des Geschichtsorts Villa ten Hompel Münster 6, Münster 2008.
„Zerrbild männlicher Nachahmung“? Polizistinnen in Düsseldorf 1945-1952, in: Dams, Carsten/Dönecke, Klaus/Köhler, Thomas (Hg.): „’Dienst am Volk’? Düsseldorfer Polizisten zwischen Demokratie und Diktatur, Frankfurt 2007, S. 382-402.
„Einen weiblichen Soldaten gibt es nicht.“ Helferinnen der Wehrmacht zwischen männlichem Einsatz und ‚fraulicher Eigenart’; in: Ariadne. Forum für Frauen- und Geschlechtergeschichte 47/2005, S. 46-51.
Zwischen ‚Mütterlichkeit’ und Männerersatz. 100 Jahre Frauen in der deutschen Polizei, in: Kenkmann, Alfons/Spieker, Christoph (Hg.): 100 Jahre Frauen in der deutschen Polizei. Dokumentation eines Symposiums im Geschichtsort Villa ten Hompel Münster, Münster 2004, S.23-86.